Montag, 17. Dezember 2012

Nothing 's sweet about me

Es vorweihnachtet. Extrem. Eigentlich waren wir gut in der Zeit mit Geschenken und Orga und dem ganzen Kram. Eigentlich. Jetzt sind irgendwie die Tage alle, an denen es möglich wäre, stressfrei die Reste zu erledigen und es fehlt immer noch die Hälfte. Also alles wie immer und wie immer klappt das schon alles wird gut.
Das nächste jahr wird sowieso viel besser als das letzte, genau wie letztes Jahr...nun ja. Zumindest gibt es wieder Ziele und Erstrebenswertes. Wir werden es erleben. Nun, falls wir den 22.12. erleben. Weltuntergang und so weiter.

Wir haben gelernt, dass das Wörtchen "klippo" selbst manchen Urberlinern unbekannt ist und diese Tatsache nichts daran ändert, dass eine Runde Realitätsklippo mal wieder dringend nötig ist....well, enjoy....




Weltenflüchter

Er lebte allein und wollte es eigentlich auch nicht anders. Sein kleiner Süßwarenladen genügte, um ihn zu versorgen und er liebte seine Arbeit, weil sie ruhig war.
Von Zeit zu Zeit  experimentierte er mit neuen Rezepten, um sein Pralinensortiment zu erweitern. Dieser Teil seiner Arbeit gefiel ihm besonders.
Allein mit den Gewürzen und Geschmäckern dieser Welt erschuf er neue Geschmäcker in alter Gestalt, um Menschen zu erfreuen, die er nicht kannte, um ihre und natürlich zuerst seine Zunge auf Reisen zu schicken. Nicht nur die Zunge, auch die Nase, mit verführerischen Düften von fremden Ländern und versteckten Aromen, und die Augen, mit wie Rosenblätter geformten Schokotäfelchen oder  kleinen, verschnörkelten Pralinentürmchen.
Wenn er dort in seiner Schokoladenküche stand und experimentierte, ging er auf Reisen. Meist inspirierte ihn ein Buch, eine eben gelesene Geschichte, ein Satz, ein Gedanke der nicht zu Ende gedacht war.
Er las viel, seine kleine Wohnung über dem Süßwarenladen war überfüllt mit Büchern, alten und neuen. Das, was ihm diese Bücher gaben, gab er den Menschen in Form von Süßwaren zurück. Träume, Sehnsüchte, unerfüllte Wünsche.... all das steckte in seinen kleinen essbaren Kunstwerken. Deshalb kamen die Menschen zu ihm, sie wussten, was es hier zu kaufen gab, waren keine gewöhnlichen Pralinen.
Weil er auf Reisen ging, wenn er sie machte.
Das war sein Geheimnis. Er mochte die Welt nicht, wie sie war. Mit so viel Dingen, die er nicht verstand, mit soviel Leid und Schmerz.
Deshalb machte er Schokolade, und zwar genau so, wie er sie eben machte.
Eine Prise Zimt ließ ihn die Augen schließen und er fand sich in einem orientalischen Märchenschloss wieder, umgeben von rotem Samt und silberner Seide, in einer Bibliothek so groß, dass er nicht sehen konnte, wo sie endete. Der ganze Boden war bedeckt von roten Samtkissen und silberne Seidendecken, die zum liegen und lesen einluden. Es roch nach Zimt und Muskat, nach Wissen, Weisheit und Neugier.
Der herbe Duft von Wissensdurst und Wünschen erinnerte ihn an Walnuss. Er ging zu einem der vielen dunklen Holzregale und nahm sich ein in weiches weißes Leder gebundenes Buch, in dem er zu lesen begann.
Er las von einer schönen Prinzessin, die einem gemeinen König versprochen war, eine alte Geschichte, die schon oft erzählt wurde, und doch immer wieder anders war. Er las von Flaschengeistern und unerfüllten Wünschen, von Liebe und von Sehnsucht.
Dann fand er sich in seiner Schokoladenküche wieder und begann, eine herbsüße Walnusspraline zu machen, die er mit einer leichten Note von Muskat und Zimt versah.
Als er sie kostete, war er der arme Prinz, der die schöne Prinzessin vor dem gemeinen König beschützte und ihr ewige Liebe versprach. Als der Muskat seine Zunge berührte, tanzte er mit ihr durch die Sternennacht.
Am nächsten Morgen schloss er seinen Laden auf, ruhig und freundlich wie immer. Und er bot seine neue Praline als Kostprobe an.
Ein kleines Mädchen betrat seinen Laden, er hatte es nie zuvor gesehen. Ihre großen Augen erfassten jedes Detail seines Ladens und blieben an ihm haften. Er fühlte sich durchschaut von diesen großen Kinderaugen.

„Nimm mich mit, wenn du neue Schokolade machst“, sagte sie. Er sah sie an. Sie hatte keine Scheu. „Ich mache meine Schokolade nachts. Das wird deinen Eltern nicht gefallen, wenn du in der Nacht weg bist.“  Sie lächelte ihn nur an. „Ich habe keine Eltern, niemand vermisst mich in der Nacht.“
Dem alten einsamen Weltenflüchter wurde warm ums Herz. Warum sollte er das Mädchen nicht bei sich behalten? Eine Nacht, was konnte das schon schaden? Er begann zu lächeln. Ein einsames kleines Mädchen und ein einsamer alter Mann, wie in einer der Geschichten aus seinen Büchern. Warum also nicht?
 „Wie heißt du, Kleine? Wenn du bei mir bleiben willst, muss ich doch wissen, wie ich dich rufen soll.“  Sie lächelte ihn glücklich an. „ Sie rufen mich Luna, weil ich immer in der Nacht herumwandere wie der Mond. Wie meine Eltern mich genannt haben weiß ich nicht.“
„Dann also Luna. Wir werden heute Nacht Schokolade machen und Geschichten erleben. Aber erstmal müssen wir die Schokolade, die schon da ist, verkaufen. Probier mal, was ich letzte Nacht gemacht habe.“
Luna probierte die Walnusspraline und schloss ihre großen, seltsamen Kinderaugen. Als sie sie wieder öffnete, strahlte sie. „War es schön, mit der unglücklichen Prinzessin zu tanzen?“ Er sah sie verblüfft an. „Woher weißt du das?“
„Weil die Geschichte in deiner Schokolade steckt. Darum bin ich hergekommen.“
Er beschloss, aufzuhören, sich zu wundern.
So verkauften sie den ganzen Tag zusammen Süßwaren. Wenn der Laden leer war, lasen sie in einem großen, alten Märchenbuch.
Dann war es endlich Zeit, den Laden zu schließen und sie konnten beginnen, Schokolade zu machen.
Der Weltenflüchter zeigte Luna alles, was er über Schokolade und ihre Zutaten wusste.
Es bleib nicht bei dieser einen Nacht, denn Luna blieb bei dem alten Weltenflüchter.
Seitdem fliehen sie Nacht für Nacht gemeinsam in ferne Welten.



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Scars on my body  Scratched deeply by my fingernails, forced into my skin, a pityful map. Twisted memories.  Scratched deep, maitainig perve...